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Hier sollten wir einmal hautnah erfahren, wie diese EU-Institution funktioniert.

Von der Stadt Luxemburg sehen wir wenig. Auf dem Weg zum EuGH fahren wir an protzigen Glasfronten von Banken, Versicherungen, Unternehmensberatungen, Restaurants und was auch immer für Vertretungen von Globel Playern vorbei. Hier wohnt das Geld. Das von den Schülern gewünschte Shopping in den Malls lässt das enge Tagesprotokoll leider nicht zu.

Vor dem EuGH selbst erwarten uns Sicherheitskräfte. Unser Bus wird kurzerhand „vom Hofe gejagt“, denn direkt vor dem Gebäude darf er natürlich nicht stehen.
Neben dem Hauptgebäude befinden sich zwei Türme, die wie Hochhäuser aussehen. Wie wir später erfahren, sind dort die Übersetzer untergebracht. Von den insgesamt 2300 Mitarbeitern im EuGH sind fast 1600 Sprachspezialisten mit Übersetzungen der teils hochkomplizierten juristischen Fachtexte in die derzeit 24 Amtssprachen befasst. So wurden allein im Jahr 2016 mehr als 1,1 Millionen (!) Seiten übersetzt. Allein das kostet eine Stange Geld, doch nur so kann das Prinzip der Gleichberechtigung erfüllt werden.

Fotografieren dürfen wir die Türme aber nicht, wie uns der Sicherheitsdienst unmissverständlich klarmacht. Im Hauptgebäude dagegen dürfen wir alles ablichten, was sich bewegt: das ist die EU-Rechtsauslegung...

Doch bevor wir ins Innere des Gerichtshofes gelassen werden, steht noch die routinemäßige Durchleuchtung unserer Rucksäcke und Taschen an. Dann aber stehen wir in einem langen, luftigen Forum mit Kunst und hellem Tageslicht von oben.

Nach einer ersten, recht lebendigen Einführung der „Praktikantin“ und zugleich studierten und promovierten Juristin Dr. Sarah Röhrig in das Verhandlungsthema dürfen wir nun einer echten Verhandlung am EuGH beiwohnen.
Der Kläger: Vertreter einer Landgemeinde aus Polen. Das Thema: der mögliche Vorsteuerabzug, den die Gemeinde für ihren 2005 errichteten Kultursaal geltend machen darf oder nicht. Das nur im ganz Groben, denn tatsächlich geht es anderthalb Stunden lang um eben dieses Thema. Das ist zäh, äußerst zäh und bringt Schüler wie begleitende Lehrer an den Rand ihrer Aufnahmefähigkeit. Plädoyer folgt auf Plädoyer. Die sieben heute vertretenen EU-Richter stellen Nachfragen und die Dolmetscher leisten bei der parallelen Übersetzung jedes gesprochenen Wortes Schwerstarbeit. 

Später empfängt uns Thomas von Danwitz und berichtet so manch Wissenswertes aus seiner Praxis am EuGH, an dem er seit 2006 tätig ist. Die Bandbreite der Verhandlungsthemen reiche von der Staubsaugerverordnung über Strafrechtsverfahren bis hin zur Frage, wie viele Flüchtlinge ein EU-Staat aufnehmen muss.
Fazit: ein anstrengender Tag mit viel Input und einer zähen Verhandlung, doch immerhin der Erkenntnis, dass hinter der großen EU-Institution wirkliche Menschen arbeiten, sich durch Berge von Akten lesen und am Ende sich ein Urteil bilden, das angemessen und gerecht ist und EU-weit gilt.

Bleibt noch zu erwähnen, dass der Belgier Koen Lenaerts seit Oktober 2015 dem EuGH als Präsident vorsteht.

Fotos

 

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